Es ist nun mehr als drei Jahre her, seit Ulla Kasuppke sich für den Aufstieg von Rot-Weiss Essen mal so richtig schick gemacht hat. Ulla ging es seitdem eigentlich parallel zu dem Verein: Mal gut, und manchmal auch nicht so gut. Diese Existenzangst, die der Verein Anfang dieses Jahres durchgemacht hat, die hat Ulla hingegen nicht verspürt. Wenn auch der Willi ja nun schon lange nicht mehr ist, die Witwenrente hilft ihr, zuzüglich zu der eigenen, relativ entspannt durch den Alltag. Viel ist passiert in ihrem Leben seit diesem legendären 14. Mai im Jahre 2022. Und selbst aus dem Klappcomputer ist mittlerweile ein Laptop geworden, der Volkshochschule Essen sei Dank.
Ulla hatte einfach keine Lust mehr, ständig die Enkelin von Frau Bergmann um Hilfe zu bitten, und hat deshalb einen Computerkurs nach dem anderen belegt. Seitdem weiß auch sie, die ehemalige Näherin bei Krupp, dass Glasfaser nicht auf der Nähmaschine verarbeitet werden kann, sondern für ordentlich Datendurchfluss sorgen sollte, sofern es denn alles auch funktioniert. Vor allem aber ist sie froh, dass endlich die ganzen Wanderbaustellen aus dem Essener Norden verschwunden und alle Kabel verlegt sind. Die ganzen anderen Baustellen reichen schon aus, um sich von hier bis Gelsenkirchen zu ärgern. Aber wenigstens haben alle im Haus an der Vogelheimer Straße 252 mittlerweile ihre neuen Fenster bekommen.
In der kommenden Saison kann sie somit an Spieltagen endlich wieder das rot-weisse Kissen auf die Fensterbank legen und ohne Gerüst im Wege schon lange vor und noch lange nach dem Spiel die Fans beobachten, diesen grölenden Tross, der zur Hafenstraße zieht. In der Rückrunde der vergangenen Saison wurde tatsächlich mehr gegrölt als noch in der Hinrunde, da bekam Ulla nach einem Heimspiel eher gesenkte Köpfe und nicht wenige derbe Flüche zu hören. Ja, wenn es um ihren Verein schlecht steht, da geht es auch den Leuten hier schlecht. Zum Ende der Saison hin, da ging es aber allen von Spieltag zu Spieltag immer besser. Manchmal wurde auf der Vogelheimer sogar fröhlich gehupt oder Gesänge angestimmt.
Und da sie sich ja nun so gut an ihrem Laptop zurechtfindet, hat sich Ulla Kasuppke nicht nur ein Magenta-Abonnement gegönnt, sondern verfolgt auch online ganz viele Seiten, die sich mit dem Verein beschäftigen. Ihre Lieblingsseite dabei dieser Blog mit dem Namen „Im Schatten der Tribüne“. Der Schreiberling schreibt immer so schön. Und so hat sie natürlich auch mitbekommen, dass im Februar eine Meldung für ganz besonders viel Freude und Aufregung gesorgt hat: Ein Verein aus Schottland, gegen den RWE Mitte der fünfziger nach der gewonnenen Meisterschaft mal im Europapokal gespielt hat, der hat in diesem Jahr hohen Geburtstag und möchte das Spiel gegen Rot-Weiss Essen noch einmal wiederholen.
Hibernian Edinburgh heißt der Verein, und ganz langsam dämmerte es Ulla, dass ihr Willi ziermlich zu Beginn ihrer Beziehung von seinem Besuch im Stadion gegen eben diesen Verein erzählt hat. Aber nicht so richtig mit der Begeisterung wie noch von dem Ligaspiel das Wochenende zuvor, als es gegen den SV Sodingen ging. Dieser Europapokal der Landesmeister, der war damals noch nicht wichtig für die Menschen in Europa. Vielleicht auch eine Folge des Krieges, sinnierte Ulla bei mittlerweile einer E-Zigarette. Je oller, desto doller könnte man ja mittlerweile bei ihr denken, stellte sie kichernd fest. Aber Zigaretten sind mittlerweile auch richtig teuer geworden und selbst drehen geht der Arthrose in den Händen wegen nicht. Die Folge der vielen Jahre an der Nähmaschine.
Daher war sie ganz froh, als die jungen Leute von oben sie mal dorthin mitgenommen haben, wo man das ungesunde Zeugs auf moderne Art bekommt. Sogar mit Karamellgeschmack. Willi würde ihr wahrscheinlich vorwerfen, dass sie nicht mehr alle Kissen auf der Fensterbank hätte, wenn man ihm erzählen würde, dass man Rauchware mittlerweile per USB an der Steckdose aufladen kann. So einen Kappes gab es damals am 14. September 1955 natürlich noch nicht, als eben dieses allererste Europapokalspiel im Stadion an der Hafenstraße ausgetragen wurde. Der Willi ist auch eher aus Pflichtgefühl die paar Meter zum Stadion rübergelatscht als aus purer Vorfreude. Muss ja hin, wenn die Roten spielen, so seine lakonische Denkweise. Also Mantel an, Hut auf und die Packung Ernte 23 vom Nierentisch gegriffen.
War ja dann auch nicht so toll, die Laune vom Willi nach dem Spiel, denn seine Roten hatten nicht nur 0:4 verloren sondern auch das Stadion war so leer wie schon lange nicht mehr. Das Abenteuer Europapokal für den jungen Willi Kasuppke somit abgehakt, dass Rückspiel in Edinburgh wurde nur noch als Ergebnis in der Tageszeitung wahrgenommen. Ulla ist leider nicht mehr so oft bei ihrem Willi auf dem Margareten Friedhof zu Besuch, und manchmal schämt sie sich auch ein bisschen dafür. Aber zum einen fällt es ihr immer schwerer, trotz Rollator, dorthin zu gelangen, und manchmal, da ist sie auch ganz ehrlich, beschäftigt sie sich lieber mit ihrem Laptop. Der Willi läuft ihr ja schließlich auch nicht mehr weg.
Und weil sie so viel Zeit am Laptop verbringt, weiß sie nun, dass das Spiel am 09. Juli 2025 im Gegensatz zu damals wohl ein ganz wichtiges für die Fans von Rot-Weiss Essen ist. Und deshalb hat sich Ulla vorgenommen, alles rund um das Spiel in dieser schönen schottischen Stadt mitzubekommen. Das dürften schöne Stunden werden am Küchentisch. Vielleicht lädt sich zu der Übertragung des Spiels auch noch die jungen Leute von oben ein, sind ja keine Schalker, von daher alles gut. Aber vielleicht haben sie ja auch noch einen neuen Geschmack mit dabei, den sie ausprobieren könnte. In ihrem Alter gesteht sich Ulla einfach ein gewisses Maß an Eigennutz zu.
Und so kam es dann, dass Ulla Kasuppke fast drei Tage lang mit offenen Mund am Küchentisch vor ihrem Laptop saß und sich einfach nicht mehr vor Begeisterung einbekam, was über zweitausend Fans ihres RWE in Edinburgh auf den Straßen und im Stadion alles so veranstaltet haben. Ganz fantastisch, wie oft die rote Farbe der Trikots und Fahnen in den engen Gassen der schottischen Hauptstadt zu sehen war, wie fröhlich die Lieder gesungen wurden und wie sehr sich alle gefreut haben. Damals, im zarten Alter von achtzehn Jahren hat sie wie ihr acht Jahre älterer Willi auch, nicht begriffen, was dieses Spiel eigentlich für eine Bedeutung hat. Nun, siebzig Jahre später hat sie es verstanden: Rot-Weiss Essen war der erste Deutsche Vertreter im Europapokal der Landesmeister.
Und sie hat an diesem neunten Juli 2025 einmal mehr verinnerlicht, was dem Willi zu Lebzeiten sein Motto war: „Unser ganzes Leben steh`n wir für Dich ein“. Es ist ja nicht so, dass Ulla dass alles nicht schon längst übernommen hat, so als emotionales Erbe von ihrem geliebten Willi. Aber diese ganzen Fotos und Videos aus Edinburgh, dass war noch einmal wie ein richtiger Schub auf die alten Tage. Und es hat Vorfreude bereitet auf die kommende Saison. Auf den Fensterblick Vogelheimer lange vor und nach den Spielen. Auf das Spiel selbst am Laptop. Und dann doch nochmal den Gang zu Willi auf den Friedhof. Um ihm davon zu erzählen, dass vielleicht endlich alles gut wird, mit Rot-Weiss. Unserem Verein.
https://imschattendertribuene.com/2025/07/15/ulla-dampft/
Ulla hatte einfach keine Lust mehr, ständig die Enkelin von Frau Bergmann um Hilfe zu bitten, und hat deshalb einen Computerkurs nach dem anderen belegt. Seitdem weiß auch sie, die ehemalige Näherin bei Krupp, dass Glasfaser nicht auf der Nähmaschine verarbeitet werden kann, sondern für ordentlich Datendurchfluss sorgen sollte, sofern es denn alles auch funktioniert. Vor allem aber ist sie froh, dass endlich die ganzen Wanderbaustellen aus dem Essener Norden verschwunden und alle Kabel verlegt sind. Die ganzen anderen Baustellen reichen schon aus, um sich von hier bis Gelsenkirchen zu ärgern. Aber wenigstens haben alle im Haus an der Vogelheimer Straße 252 mittlerweile ihre neuen Fenster bekommen.
In der kommenden Saison kann sie somit an Spieltagen endlich wieder das rot-weisse Kissen auf die Fensterbank legen und ohne Gerüst im Wege schon lange vor und noch lange nach dem Spiel die Fans beobachten, diesen grölenden Tross, der zur Hafenstraße zieht. In der Rückrunde der vergangenen Saison wurde tatsächlich mehr gegrölt als noch in der Hinrunde, da bekam Ulla nach einem Heimspiel eher gesenkte Köpfe und nicht wenige derbe Flüche zu hören. Ja, wenn es um ihren Verein schlecht steht, da geht es auch den Leuten hier schlecht. Zum Ende der Saison hin, da ging es aber allen von Spieltag zu Spieltag immer besser. Manchmal wurde auf der Vogelheimer sogar fröhlich gehupt oder Gesänge angestimmt.
Und da sie sich ja nun so gut an ihrem Laptop zurechtfindet, hat sich Ulla Kasuppke nicht nur ein Magenta-Abonnement gegönnt, sondern verfolgt auch online ganz viele Seiten, die sich mit dem Verein beschäftigen. Ihre Lieblingsseite dabei dieser Blog mit dem Namen „Im Schatten der Tribüne“. Der Schreiberling schreibt immer so schön. Und so hat sie natürlich auch mitbekommen, dass im Februar eine Meldung für ganz besonders viel Freude und Aufregung gesorgt hat: Ein Verein aus Schottland, gegen den RWE Mitte der fünfziger nach der gewonnenen Meisterschaft mal im Europapokal gespielt hat, der hat in diesem Jahr hohen Geburtstag und möchte das Spiel gegen Rot-Weiss Essen noch einmal wiederholen.
Hibernian Edinburgh heißt der Verein, und ganz langsam dämmerte es Ulla, dass ihr Willi ziermlich zu Beginn ihrer Beziehung von seinem Besuch im Stadion gegen eben diesen Verein erzählt hat. Aber nicht so richtig mit der Begeisterung wie noch von dem Ligaspiel das Wochenende zuvor, als es gegen den SV Sodingen ging. Dieser Europapokal der Landesmeister, der war damals noch nicht wichtig für die Menschen in Europa. Vielleicht auch eine Folge des Krieges, sinnierte Ulla bei mittlerweile einer E-Zigarette. Je oller, desto doller könnte man ja mittlerweile bei ihr denken, stellte sie kichernd fest. Aber Zigaretten sind mittlerweile auch richtig teuer geworden und selbst drehen geht der Arthrose in den Händen wegen nicht. Die Folge der vielen Jahre an der Nähmaschine.
Daher war sie ganz froh, als die jungen Leute von oben sie mal dorthin mitgenommen haben, wo man das ungesunde Zeugs auf moderne Art bekommt. Sogar mit Karamellgeschmack. Willi würde ihr wahrscheinlich vorwerfen, dass sie nicht mehr alle Kissen auf der Fensterbank hätte, wenn man ihm erzählen würde, dass man Rauchware mittlerweile per USB an der Steckdose aufladen kann. So einen Kappes gab es damals am 14. September 1955 natürlich noch nicht, als eben dieses allererste Europapokalspiel im Stadion an der Hafenstraße ausgetragen wurde. Der Willi ist auch eher aus Pflichtgefühl die paar Meter zum Stadion rübergelatscht als aus purer Vorfreude. Muss ja hin, wenn die Roten spielen, so seine lakonische Denkweise. Also Mantel an, Hut auf und die Packung Ernte 23 vom Nierentisch gegriffen.
War ja dann auch nicht so toll, die Laune vom Willi nach dem Spiel, denn seine Roten hatten nicht nur 0:4 verloren sondern auch das Stadion war so leer wie schon lange nicht mehr. Das Abenteuer Europapokal für den jungen Willi Kasuppke somit abgehakt, dass Rückspiel in Edinburgh wurde nur noch als Ergebnis in der Tageszeitung wahrgenommen. Ulla ist leider nicht mehr so oft bei ihrem Willi auf dem Margareten Friedhof zu Besuch, und manchmal schämt sie sich auch ein bisschen dafür. Aber zum einen fällt es ihr immer schwerer, trotz Rollator, dorthin zu gelangen, und manchmal, da ist sie auch ganz ehrlich, beschäftigt sie sich lieber mit ihrem Laptop. Der Willi läuft ihr ja schließlich auch nicht mehr weg.
Und weil sie so viel Zeit am Laptop verbringt, weiß sie nun, dass das Spiel am 09. Juli 2025 im Gegensatz zu damals wohl ein ganz wichtiges für die Fans von Rot-Weiss Essen ist. Und deshalb hat sich Ulla vorgenommen, alles rund um das Spiel in dieser schönen schottischen Stadt mitzubekommen. Das dürften schöne Stunden werden am Küchentisch. Vielleicht lädt sich zu der Übertragung des Spiels auch noch die jungen Leute von oben ein, sind ja keine Schalker, von daher alles gut. Aber vielleicht haben sie ja auch noch einen neuen Geschmack mit dabei, den sie ausprobieren könnte. In ihrem Alter gesteht sich Ulla einfach ein gewisses Maß an Eigennutz zu.
Und so kam es dann, dass Ulla Kasuppke fast drei Tage lang mit offenen Mund am Küchentisch vor ihrem Laptop saß und sich einfach nicht mehr vor Begeisterung einbekam, was über zweitausend Fans ihres RWE in Edinburgh auf den Straßen und im Stadion alles so veranstaltet haben. Ganz fantastisch, wie oft die rote Farbe der Trikots und Fahnen in den engen Gassen der schottischen Hauptstadt zu sehen war, wie fröhlich die Lieder gesungen wurden und wie sehr sich alle gefreut haben. Damals, im zarten Alter von achtzehn Jahren hat sie wie ihr acht Jahre älterer Willi auch, nicht begriffen, was dieses Spiel eigentlich für eine Bedeutung hat. Nun, siebzig Jahre später hat sie es verstanden: Rot-Weiss Essen war der erste Deutsche Vertreter im Europapokal der Landesmeister.
Und sie hat an diesem neunten Juli 2025 einmal mehr verinnerlicht, was dem Willi zu Lebzeiten sein Motto war: „Unser ganzes Leben steh`n wir für Dich ein“. Es ist ja nicht so, dass Ulla dass alles nicht schon längst übernommen hat, so als emotionales Erbe von ihrem geliebten Willi. Aber diese ganzen Fotos und Videos aus Edinburgh, dass war noch einmal wie ein richtiger Schub auf die alten Tage. Und es hat Vorfreude bereitet auf die kommende Saison. Auf den Fensterblick Vogelheimer lange vor und nach den Spielen. Auf das Spiel selbst am Laptop. Und dann doch nochmal den Gang zu Willi auf den Friedhof. Um ihm davon zu erzählen, dass vielleicht endlich alles gut wird, mit Rot-Weiss. Unserem Verein.
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