Der schönste Film jemals ist für mich Forrest Gump. Vielleicht ein Film über mehrere historische Ereignisse amerikanischer Geschichte über einen Zeitraum von vierzig Jahren. Ganz sicher aber ein Film über einen fiktiven Charakter, der trotz seiner Schlichtheit mit einer so großen Empathie ausgestattet ist, die uns allen gerade mehr als Vorbild sein könnte. Eines der vielen schönen Zitate aus Forrest Gump lautet „Ich bin kein kluger Mann, aber ich weiß, was Liebe ist! Angelehnt an dieses Zitat müsste meins lauten „Ich bin kein dummer Mann, aber ich weiß nicht mehr, was Politik ist“.

Vielleicht wusste ich es noch nie, aber vor allem in jüngeren Jahren war es ja auch noch einfacher, so als Jahrgang 1966. An Wahltagen gab es immer schon um 18:00 Uhr die erste Hochrechnung, die dann meistens auch da schon gleichzusetzen war mit dem Ergebnis. Mein Augenmerk galt am Folgetag in der Zeitung immer den kleinen Stellen, war die Hoffnung, das NPD, DVU später Republikaner oder vergleichbare rechte Rotze am besten gen Null tendieren. Zeitweise war hier in Nordhorn sogar noch die DKP im Stadtrat vertreten, wurde vor den Werkstoren von Nino, Rawe und Povel die rote Spindel verteilt. Das fand ich definitiv besser als irgendein braunes Pendant, ohne dem Kommunismus selbst irgendetwas gutes abgewinnen zu können.

In der einen Variante laufen alle mit hasserfüllten Gesichtern und erhobenen Arm hinterher, in der anderen Variante alle im einheitlichen Blaumann und mit gesenktem Kopf. Nein, ich wurde von Herzen Sozialdemokrat. Sozialer Demokrat. Also sozial und Demokrat. Welch eine grandiose Idee. Und dann noch Helmut und Loki. Mit zwanzig habe ich wahrscheinlich sogar annähernd so viel geraucht wie die beiden. Herbert Wehner, Willy Brandt und sein „Mehr Demokratie wagen“ nebst Kniefall. Es wurde sich im Bundestag vor allen mit der Union gefetzt und gestritten. Franz Josef Strauß hier an erster Stelle zu nennen. Aber es zeigte sich trotzdem immer wieder der gegenseitige Respekt, wurde der Mensch hinter der politischen Meinung respektiert.

Und genau diesen Respekt haben wir verloren. Und zwar ganz zielstrebig so gewollt. So weit so fatal. Aber erstmal zurück in die nicht mehr vereinigten Staaten: Wohl nie zuvor habe ich wochenlang den Wahlkampf im Vorfeld so intensiv verfolgt. Beinahe stündlich habe ich den Namen „Trump“ in die Suchmaske des Vertrauens eingegeben, immer in der Hoffnung etwas zu erfahren, was seine Chancen schmälert. Zu lesen bekommen habe ich meistens das Gegenteil und mich angeekelt gefühlt über dessen Aussagen. Diese Lügen, diese unglaublichen Lügen und dieser tiefe Hass. Aber er ist es wie erwartet wieder geworden. Und wahrscheinlich hat ihn dieses Land und die Welt dann auch verdient. Danke für nichts, Amerika.

Und wenn die Rednecks jetzt auch freudestrahlend um ihr Lagerfeuer springen, an ihrem Lebensstandard wird sich mutmaßlich nicht viel ändern, denn wer sollte Interesse an ihrem Dasein haben? Die neue Regierung wohl kaum. Am Tag nach der Wahl war ich aber fast erleichtert, denn es war endlich vorbei. Seitdem habe ich bis zu diesem Text den Namen nicht einmal mehr eingegeben und mich der Nachrichtenflut entzogen. Lieber in Eskapismus üben, als zu oft diese Orange auf zwei Beinen zu ertragen. Aber wenigstens weiß ich, dass ich in Sachen Diplomatie niemals zu einem Politiker taugen würde. Ich würde mir lieber die Zunge abbeißen, als diesem verkommenen Menschen auch noch zu gratulieren. Unglaublich dieses beschönigende und Poppes pudernde „Bla Bla Bla“, noch bevor es ein amtliches Endergebnis gab. Warum einem mehrfachen Straftäter und krankhaften Narzissten nicht ehrlich gegenüber sein?

Und als das dann alles ein wenig verdaut war, hat unser Kanzler tatsächlich doch endlich mal Tacheles geredet und den Finanzminister entlassen. Viel zu lange hat man sich von der FDP am Nasenring durch die Manege führen lassen. Viel zu unglücklich hat man insgesamt als Regierung agiert. Das war zu viel Schalke, denn auch dort ist man nie als Einheit unterwegs und nimmt die Leute einfach nicht mehr mit (was ich allerdings erheiternd finde).

Aber eines geht leider immer unter: Man musste sich nicht nur zusammenraufen, sondern vor allem auch zwölf Jahre Unionsgeführte Regierungsarbeit (klar, SPD immer gut mit dabei) ausbügeln. All dieser Stillstand, all diese Vetternwirtschaft, Andy Scheuer und all die anderen korrupten Dinge. Aber anstatt auch nur einen Tag Demut zu zeigen, hat sich vor allem die Union vom ersten Tag an als wirklich schlechteste Opposition jemals aufgeführt. Fast wie die Bayern in Person von Uli Hoeneß, wenn sie mal eine Saison nicht Meister werden. Stets vorneweg dabei der Social-Media Star aus Bayern und die Sauerländer Ich-AG mit dem Merkel Trauma. Alles immer lauter untermalt vom blaubraunen Hass, der so ausgefeilt auch der republikanischen Kampagne entstammen könnte. Und anstatt sich davon zu distanzieren, werden zu Landtagswahlen gerne mal Slogans übernommen. Christ…Demokraten… eh klar!

Es wird also Neuwahlen geben, was gut so ist. Aber werden wir uns diesmal wirklich komplett schon auf das Niveau von Übersee begeben? Geht es noch um Inhalte, oder nur noch darüber, den Andersdenkenden zu diffamieren, zu beleidigen, permanent Lügen zu erfinden. Wer frisst hierzulande die Katzen auf? Werden wir überhaupt jemals wieder zueinander finden und wenigsten den Hauch von Anstand im Sinne von Forrest Gump versprühen? Die Hoffnung habe ich eigentlich aufgegeben, denn die schwand schon in dem irrationalen Hass den Grünen gegenüber. Was da in den sozialen Medien losgetreten wurde, war unterste Schublade. Natürlich war von den Grünen selbst vieles nicht glücklich formuliert und übereifrig gewollt. Aber das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass uns die Erderwärmung immer öfter um die Ohren fliegt.

Wer aber für eine Wegstrecke von beispielsweise 500 Metern lieber das Auto nimmt, anstatt mal den eigenen Hintern zu bewegen, der ist an der Umwelt jetzt auch so wirklich nicht interessiert. Da ist dann eine Beleidigung oder ein geteiltes Bild von Galgen mit Grünen dran eher der Tagesknaller in der eigens dafür eingerichtete WhatsApp Gruppe unter Gleichgesinnten. Hurra, wir leben noch!

Ja klar, wir schon. Aber unsere Kinder, Enkelkinder und Urenkel? Was ist mit denen? Haben die kein Recht mehr darauf, in Frieden, Freiheit und einigermaßen intakter Umwelt zu leben? Und wer baut eigentlich aktuell unsere Straßen, pflegt unsere Alten und bedient uns in unseren Restaurants, beschützt uns in Stadien oder pflanzt den Dönerspieß, wenn wir erstmal alle rausgeworfen haben? Der Beziehungsstatus Welt somit zurzeit extrem kompliziert und lieber schaue ich aktuell fünf Folgen Outlander am Stück als eine Talkshow mit Frau Wagenknecht. Aber alles in Summe formuliert bleibt die Bitte: Seit wie Forrest Gump. Hass und Hetze hatten immer nur furchtbare Zeiten zur Folge.

Aber wenn es denn so sein sollte, dass ich vielleicht eines Tages noch mit achtzig auf die Straße gehen muss, um für meine Kinder und Enkelkinder ein demokratisches Leben zu fordern, dann werde ich es für sie tun, egal wie die Konsequenzen dann auch sein werden. Es gibt kaum ein höheres Gut als eine funktionierende Demokratie.

Zurück zum Fußball!

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