Man könnte eventuell Gefahr laufen, ganz eventuell an die Begrifflichkeit „Spießig“ zu denken, aber diese ist grundsätzlich negativ besetzt, so dass wir Ralf damit definitiv nicht gerecht werden würden. Ralf hat es mit seinem Charme einfach geschafft, gewisse Regelmäßigkeiten in seinem Leben mit einer Leichtigkeit zu platzieren, so dass sie für uns eine Selbstverständlichkeit bis hin zur Freude wurden. War Ralf zu Gast bei geplanten Feierlichkeiten oder einfach ganz normalen Treffen, so gab es immer zwei Sorten Bier: Die kalten halben Liter für uns und die nicht ganz so kalte 0,33 Liter Flasche für ihn. Pils. Kein Schnickschnack. Ebenso blieb die Küche für Ralf zwar niemals kalt, aber egal wer eingeladen hatte, es gab immer das Stück Lachs für ihn. Außer, es landete in der Feuertonne. Aber, das ist eine andere Geschichte.

Lachs war sein Fleisch, zu mindestens seit dem Zeitpunkt, als Ralf beschloss, seine Ernährung zugunsten eines gesünderen Lebensstils zu verändern. Es ging ihm sichtlich gut damit, und wenn es Ralf gut ging, dann ging es auch uns gut. Es war ja auch Ansporn für die Küchenchefs- und Chefinnen unter uns wie wir den Lachs mal auf andere Art in das geplante Essen integrieren können. Und der Lohn für all die Mühe war die Freude und der Dank von Ralf, der sichtlichen Genuss an neuen Variationen hatte. Was wir jetzt nicht wissen, ist, ob er unsere Kreationen noch am Abend schnell an seinen allerbesten Kumpel, Peter von Frosta, übermittelt hat.

Die Musik war seine größte Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die uns manchmal Leiden schaffte, denn die Toleranzgrenze für Musik abseits des Genres Rock oder Pop tendierte durchaus gegen Null. Aber immer natürlich mit dem ihm typischen Augenzwinkern. Niemals wäre er atemlos durch die Nacht getanzt, wenn er die Highway to Hell haben konnte. Sein Mantra in der Musik waren die Rolling Stones, sein Hohepriester Keith Richards. Es ist fast nicht zu glauben, dass ein Keith Richards selbst seinen größten Fan Ralf aka „Harry“ überlebt hat. Früher gab es auf jeder Party mindestens einmal den Ruf „Stoooooones“ von Ralf zu hören, bisweilen mit „Ääääängie“ durch einen anderen Partygast kommentiert.

Im Laufe seiner Zeit in Nordhorn hatte Ralf uns zwar das Schaffenswerk seiner Stones nähergebracht, aber auch unsere Musik gehört und lieben gelernt. So gehörten irgendwann durchaus auch U2 oder Simple Minds zu seinem Portfolio. Aber stets flankiert durch die Filetstücke der Rockmusik. Er kannte sie alle. Die Klassiker, die verborgenen Schätze, die Riffs und die Solis. Alle fein geordnet auf CD gebrannt und mit entsprechenden Cover versehen. Sein Beruf Berufung zugleich.

Von daher war es auch kein Wunder, dass Ralf in Zeiten moderner Medien und Spielmöglichkeiten nun auf ewig ungeschlagener „Hitster-Champion“ bleiben wird. Ein Titel angespielt, und er wusste sofort wer, wann und wo. Also in seinem Genre jetzt. Die Schlager Version hätten wahrscheinlich andere gewonnen, aber da hätte er ja auch nicht mitgespielt. Man muss ja seinen Prinzipien treu bleiben. Das Ralf aber dann auch noch die zweite Challenge der TV-Filmmelodien mit großem Vorsprung für sich gewinnen konnte, dass kam fast überraschend. Ja und dann ist Ralf auch noch erster Gewinner der erstmals ausgetragenen Dart-Meisterschaft „BZ-Classics“ und Sieger des inoffiziellen Boule-Pokals. Und wer jetzt glauben könnte, dass wir ihn immer haben gewinnen lassen: Also so lieb hatten wir ihn nun auch nicht, dass musste er sich schon hart erkämpfen.

Was ihm mit das Wichtigste in seinem Leben war, war seine Mama. Während für uns nur ein T-Shirt aus dem Schrank gefischt wurde, war es Ralf ganz wichtig, immer ein gebügeltes Hemd im Schrank zu haben, wenn es nach Bocholt in die alte Heimat ging.

Neben der Musik, also der für ihn richtigen Musik, war der Fußball seine große Leidenschaft. Sein Verein der SV Werder Bremen, aber mit der gebotenen Distanz, so dass es nicht stressig für ihn werden würde. Während zu viele Fans ihr ganzes Wohl und Wehe der nächsten Woche vom Ergebnis des eigenen Vereins am Wochenende abhängig machen, hat Ralf einfach gerne Fußball geschaut, so dass ihn auch Werder Niederlagen nicht aus der Ruhe bringen konnten. Daheim vor dem TV hat er gerne dem runden Leder gefrönt. Oder auch schon mal in der Lokalität seines Vertrauens, wenn Europäischer Spitzenfußball anstand.

Aber die eigentliche Mannschaft seines Herzens, dass war Sparta 09 umme Ecke. Der Verein, bei dem sein Sohn spielt. Ralf wollte nicht mit uns in die großen Stadien der Republik, von der 3. Liga bis zur Bundesliga hätten wir dank RWE und St.Pauli einiges im Portfolio gehabt, um die Faszination Fußball im Stadion abzudecken. Sein Erlebnis Fußball im Stadion, das gab es lediglich am Sparta Platz. Für seinen Sohn und dessen jeweilige Mannschaft im Laufe der Jahre.

Aber ein emotionaler Ausbruch rund um den Fußball, wird uns dann doch in Erinnerung bleiben: Es war der 10.07.1994. Das Achtelfinale der WM stand an, und Deutschland unterlag überraschend Bulgarien mit 1:2. Ralf hat damals als erster realisiert, was passiert war, sprang auf und rief: „Das wars, wir sind raus“. Soweit sein, uns emotional bekanntester Ausbruch bei einem Fußballspiel. Bei der vergangenen Europameisterschaft, also fast auf den Tag genau dreißig Jahre später, hatte Ralf uns alle am 04.07.2024 zu sich nach Hause eingeladen. Für Emotionen rund um das Spiel hatte er aber kaum Zeit, denn sein Hauptaugenmerk galt den Geschehnissen in der Küche und der Ansporn, uns pünktlich zur Halbzeit lukullisch zu versorgen. Und was soll man sagen: Ralf hat an diesem Abend besser geliefert als der Schiedsrichter oder der versammelte VAR. Alles auf den Punkt gebracht. Deutschland ist an diesem Abend zwar ausgeschieden, aber was blieb war die sichtliche Freude von Ralf darüber, uns ein großartiger Gastgeber gewesen zu sein.

Ralf wird uns fehlen. Nein, Ralf fehlt uns jetzt schon. Und sein Lachen. Ralf konnte ganz herzlich lachen. Natürlich musste der Spruch oder der Gag aus der Runde kommend schon ein ganz besonderer sein, aber wenn der saß, dann konnte Ralf sich bis kurz vor in die Hose machen beömmeln. Und das war ansteckend. Also seine Lache. Die kam herzlich und konnte mitreißend sein. Wer es nicht leicht mit ihm hatte, war hingegen der- oder diejenigen Raucher, der oder die ihn auf eine seiner exakt abgezählten drei Zigaretten am Tag nach draußen begleitete. Denn neben seinen vielen anderen Fähigkeiten hatte Ralf vor allem ein Talent: Der wohl langsamste Genussraucher zu sein, den die Welt jemals gesehen hatte. Seine ihm aktuell liebste Zigarettenbegleitung Melli hat oft versucht, sich seinem Tempo anzupassen, war aber schon auf den Filter abgebrannt, während Ralf gerade erst den dritten Zug tat. Er hatte halt die Ruhe weg. Und das Herz immer am rechten Fleck.

Es ist noch nicht greifbar, dass Ralf nicht mehr unter uns weilt. Es ist überhaupt unbegreiflich, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod sein kann. Gestern noch aktiv am Leben teilgenommen, hat es Ralf am nächsten Tag innerhalb von Sekunden aus diesem gerissen. Wie sollen wir alle das begreifen? Das müssen wir prinzipiell nicht, denn der Tod gehört zum Leben. Wir alle werden diesen Weg gehen, da wir alle sterblich sind. Aber dieser Weg, den unser Ralf gehen musste, der ist nicht fair. Hier wurde ein toller Mensch, eine richtige Type gar, viel zu früh aus dem Leben gerissen. Wenn es daran überhaupt etwas positives festzuhalten gilt, dann die Tatsache, dass Ralf nicht leiden musste. Es war einfach von jetzt auf gleich vorbei. Aber ist es überhaupt vorbei, oder geht es für Ralf jetzt erst richtig los?

Es wird für uns erst dann eine Antwort auf die Frage geben, wenn wir selbst an der Reihe sind. Und dann würde ich mir wünschen, neben vielen anderen vor allem auch Ralf wieder zu treffen. Ganz entspannt bei einem kleinen Bier. Wohltemperiert natürlich. Und einem herrlich zubereiteten Stück Lachs.

Mit auf seine große Reise haben wir ihm seine heißgeliebte Kutte gegeben. Niemals hätten wir uns vorstellen können, dass eine eher spaßig gemeinte Überraschung eine so große emotionale Bedeutung für ihn bekommt, an der er ständig herumgewerkelt hat, und die er bei jedem unserer Treffen getragen hat. Aber eigentlich hätten wir es ja wissen müssen: Kutten sind was für ganz besondere Charaktere. Die Knöpfe nun, die haben wir abgenommen und unter uns verteilt. So haben wir alle auch etwas handfestes von Ralf daheim, anstatt ihn ausschließlich im Herzen zu tragen.

Danke Ralf, dass Du unser Leben bereichert hast!

https://imschattendertribuene.com/2...nzt-wenn-er-die-highway-to-hell-haben-konnte/