Deutschlands Europapokalpremiere an der Hafenstraße – Rot-Weiss Essen

Serie: Ein ausgezeichneter Botschafter für den deutschen Fußball.​

Deutschlands Europapokalpremiere an der Hafenstraße – Rot-Weiss Essen

RWE in seinem ersten Auftritt im Europäischen Geschäft: 1955 gegen Hibernian Edinburgh. (Foto: RWE)

Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1955 war RWE der erste Verein, der im neu geschaffenen Europapokal der Landesmeister, dem Vorläufer der heutigen Champions-League, die deutschen Farben vertrat.
„Rot-Weiss trägt sein erstes Spiel um den Europapokal der Vereinsmannschaften am kommenden Mittwoch, 17.00 Uhr, im Stadion an der Hafenstraße aus. Gegner ist Schottlands Meister Hibernian Edinburgh.“ Mit dieser Kurzankündigung, eingerahmt in einem schwarz umrandeten Kasten inmitten des Oberligaspielberichtes gegen den SV Sodingen, wies die Tagespresse auf die deutsche Europapokal-Premiere am 14. September 1955 hin. Rot-Weiss Essen trat zur deutschen Europapokal-Premiere im Stadion an der Hafenstraße mit folgender Aufstellung an: Fritz Herkenrath, Joachim Jähnisch, Zastrau, Kurt Röttger, Heinz Wewers, Willi Köchling, Röhrig, Willi Vordenbäumen, Fritz Abromeit, Vitus Sauer, Günther Steffens.

Mit den verletzten Helmut Rahn und Penny Islacker, dem nach Karlsruhe gewechselten Berni Termath sowie August Gottschalk, der nach dem Titelgewinn seine Karriere bei RWE beendet hatte, fehlte damit das Stürmerquartett der Meistermannschaft. Hibernian Edinburgh trat dagegen in Bestbesetzung und nach eigenem Bekunden „in bester Form an“. Die Schotten ließen dem dezimierten Deutschen Meister keine Chance und gewannen 4:0. Hibernian Edinburgh wurde bescheinigt, eine „Klassemannschaft gestellt zu haben, die mit ihren Leistungen nicht geizte. Selten spielte in Essen eine bessere Fußballmannschaft.“ Die schottische Profimannschaft überzeugte vor allem durch ihr taktisches Konzept. Die NRZ schrieb: „Die Schotten dachten zuerst an die Sicherheit und begnügten sich mit Steilvorlagen, bei denen allerdings die drei lauernden Stürmer ihre Schnelligkeit als größten Trumpf ausspielten.“

In der Vereinszeitung kurzen fuffzehn hieß es anerkennend: „Im Ganzen war es eines der schönsten Spiele gegen auswärtige Mannschaften. Was uns die Schotten an Können und Standvermögen zeigten, haben wir selten bei ausländischen Mannschaften schöner gesehen. Es dürfte niemand trotz des Dauerregens und der 4:0-Niederlage bedauert haben, zu diesem Spiel gekommen zu sein. Bedauern konnte man nur, dass unsere Meistermannschaft nicht zur Stelle war. Es wäre wohl eines der spannendsten und besten Spiele überhaupt geworden.“ Die WAZ hatte die Gründe schnell erkannt: „So schnell, so hart, so konsequent spielen Profis, wenn es um etwas geht. Die anwesenden Trainer werden ihren Schülern erzählen, wie eisern trainiert werden muss, um solche Kondition, solche Körperbeherrschung, solche Form zu erlangen. Das kann man nicht in wöchentlichen vier Stunden lernen, dazu braucht es tägliches Üben, und zwar stundenlang.“ Damit war das Dilemma deutlich angesprochen, dass den deutschen Fußball trotz des Weltmeisterschaftsgewinn 1954 sportlich schwächte. Das Amateurstatut ließ die Vereine im internationalen Vergleich wegen des im Ausland längst üblichen Profitums hinterherhinken.

Rückspiel unter Flutlicht
Wiedergutmachung war also für das Rückspiel am 12.Oktober 1955 angesagt. Und dabei gelang dem RWE vor 30.000 Zuschauern mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung ein leistungsgerechtes 1:1 Unentschieden. Diesmal fehlten Hibernian drei Nationalspieler, die nach einem Spiel in Dänemark auf dem Rückflug in London wegen Nebels nicht weiterreisen konnte. Dennoch ging der schottische Meister bereits nach sechs Minuten mit 1:0 in Führung. Rechtsaußen Fritz Abromeit mit einem prächtigen Schuss kurz nach der Halbzeit der Ausgleichstreffer. Dabei blieb es und die schottischen Zeitungen bescheinigten RWE, dass sie ein verdientes Unentschieden erreicht hatten, da sie „mit voller Kraft und großem Einsatz gespielt hätten.“

Hintergrund:
Die französische Sportzeitung L`Equipe hatte im Frühjahr 1955 einen Spielmodus, Termine und finanzielle Pläne erarbeitet und Klubs aus 18 europäischen Ländern eingeladen. Ziel war laut Entwurf für die Durchführungsbestimmungen „ein für die großen europäischen Mannschaften vorbehaltenen Fußballwettkampf“ zu schaffen, der zunächst den Namen „Interklub-Europapokal“ trug. Rot-Weiss Essen, zu diesem Zeitpunkt noch vor der Endrunde zur dann erfolgreichen Deutschen Meisterschaft stehend, war als deutscher Vertreter eingeladen worden, da die Bergeborbecker seit dem Kriege die meisten internationalen Spiele ausgetragen hatten. Im Sommer 1955 nahm sich dann auch die UEFA der Idee an und stellte einen Organisations- und Regelplan für den „COUPE DES CLUBS CHAMPIONS EUROPEENS“ auf.

Ein Beitrag unseres Vereinshistorikers Georg Schrepper.

Deutschlands Europapokalpremiere an der Hafenstraße – Rot-Weiss Essen

https://www.rot-weiss-essen.de/2025/07/31/deutschlands-europapokalpremiere-an-der-hafenstrasse/