Es war um die 40. Minute herum: RWE hatte kürzlich in Person von Leo Vonic nach einer Ecke den 1:1-Ausgleich gegen die Alemannia erzielt, als Ramien Safi an der Aachener Eckfahne einen eigentlich unbedeutenden Zweikampf gewann, der Ball aber dann zum Einwurf ins Aus ging. Mit geballter Faust und breitem Kreuz schrie Safi seine Emotionen in Richtung Westkurve, die es ihm lautstark dankte.

Es war diese Kraft, diese Emotion, die man sich heute über weite Strecken von der gesamten Mannschaft gewünscht hätte. Doch irgendwie kam RWE in keiner Phase des Spiels richtig dazu, mal eine längere Druckphase in Richtung Gästetor aufzubauen. Stattdessen oft das folgende Bild: Der Ball, zurückgespielt auf Golz, ruht sekundenlang am Fuß unseres Schlussmannes, alle Spieler stehen weitestgehend still, bis irgendwann ein Aachener Angreifer versucht, Passräume zuzustellen. Dann ein meist kurzer Pass von Golz, zwei, drei Kontakte und weg ist die Kugel wieder.

Viel zu ungenau das Passspiel, viel zu unkontrolliert die Ballannahmen, häufig auch ein Aachener Bein im Weg oder der Pass in den freien Raum und damit zurück zum Gegner.

Dabei fing es eigentlich gut an. Wenige Minuten waren gespielt, als Arslan einen Freistoß präzise in den Fünfer flankte, wo Neu-Kapitän Schultz zwar an den Ball kam, aber nicht mehr den nötigen Druck entwickeln konnte, um den Treffer zu erzielen. Wenig später war ein Abwehrfuß vor dem einschussbereiten Vonic zur Stelle und klärte in höchster Not.

Besser machten es leider die Gäste nach nicht ganz einer halben Stunde, nachdem Kaparos im Aufbau weggerutscht war und dabei den Ball verlor. Einige Augenblicke später zappelte der Ball in den Maschen, Kraulich konnte nur noch abfälschen, den Treffer von Heinz aber nicht verhindern.

Als dann keine zehn Minuten später eine weitere Vonic-Chance vereitelt worden war, gab es Eckball für RWE. Diese, hereingeflankt auf den langen Pfosten, drückte Vonic zum umjubelten Ausgleich ins Netz. Somit alles wieder offen.

Arslan deutete vor dem Wechsel noch an, dass er durchaus in der Lage ist, gefährliche Freistöße zu schießen, doch sein Versuch senkte sich aufs Tor. In dieser Szene hätte ich als Amateur einen Vollspannschuss aufs Torwart-Eck durch die mutig-lückenhafte Mauer präferiert.

In der zweiten Hälfte wollte sich weiter keines der Teams eine Blöße geben, doch mutiger schienen die Gäste zu sein, die es häufiger mit langen Bällen über die Außenpositionen versuchten, bei denen sich Celebi und der eher als Außenverteidiger eingesetzte Rios-Alonso immer wieder schwer taten. Wintzheimer kam für Vonic, Voufack ersetzte Celebi (Safi wechselte darauf nach links, Brumme nach links hinten und Voufack nach vorn), doch das Tor erzielten leider erneut die Gäste durch eben einen dieser langen Bälle, den Brumme katastrophal unterschätzte, wodurch gleich zwei Aachener „durch“ waren. Ball scharf vors Tor geschlagen, erneut Heinz – 1:2.

Eine knappe Viertelstunde blieb RWE noch, die Auftaktniederlage abzuwenden. Eisfeld ersetzte Kaparos, doch insgesamt war das Aufbäumen nicht aggressiv, nicht schnell genug. Zwei Schreckmomente unmittelbar nach dem Rückstand galt es zu überstehen, auf der anderen Seite war erst Alu im Weg, dann gab es die ultimative Chance zum Ausgleich quasi mit dem Abpfiff, doch der Schuss von (ich glaube Wintzheimer) war zu zentral und somit kein Problem für den Gäste-Schlussmann.

Somit startet RWE auch in die dritte Drittliga-Saison mit einer Niederlage. Ich bin weit davon entfernt, uns zu einem so frühen Zeitpunkt als potentiellen Absteiger zu sehen oder alles in Grund und Boden zu schreiben, aber klar ist, dass einige Dinge dringend angefasst werden müssen. Die neu formierte Abwehr mit Celebi, Kraulich, Schultz und Rios Alonso funktioniert noch nicht so präzise, wie es in der letzten Saison noch mit Götze der Fall war. Die Ruhe im Spielaufbau fehlte schon von dort, was sicherlich auch dem dauerhaften Pressing der Aachener geschuldet war – doch das können andere Teams eben auch, daher müssen alternative Lösungen her.

Im Mittelfeld suchte Müsel für meinen Geschmack zu oft den Weg rückwärts, insbesondere nach dem zweiten Rückstand. Das Zusammenspiel mit Kaparos ist unterdessen noch ausbaufähig, zu oft fanden die Gäste einen Weg durchs Zentrum, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. Das Umschaltspiel klappte durch zu schnelle Ballverluste nicht wirklich, dadurch standen Brumme und Safi zu oft auf verlorenem Posten.

Arslan deutete an, dass er ein enorm gutes Auge hat, doch leider konnte er trotz mehrerer Kontersituationen keinen finalen Pass anbringen (oder entschied sich für den falschen Mitspieler). Dennoch kann und wird er noch für offensive Impulse sorgen, da bin ich mir sicher.

Die Offensive hing weitestgehend in der Luft, hier muss Safi öfter gesucht (und gefunden) werden, wenn er wie heute eigentlich den notwendigen Platz hat. Auch er konnte in einigen wenigen Szenen andeuten, dass er mit seinem Tempo gefährlich sein kann, doch insgesamt hat er sich zu oft von seinem körperlich robust spielenden Gegenspieler abkochen lassen. Brumme auf der anderen Seite war bemüht, doch auch er wurde Opfer des kopflosen Aufbauspiels.

Ein paar Worte möchte ich noch zu Wintzheimer loswerden. Er konnte hauptsächlich damit auffallen dass er entweder von seinem Gegenspieler festgehalten wurde oder dass er selbst mit dummen Fouls das Spiel unterbrach. Ein, zwei Mal einfach wegbleiben, dann spielt der Gegner den Ball ins Aus und RWE bekommt Ballbesitz in guter Position. Ihm muss man sicherlich zugute halten, dass er erst wenige Einheiten mit der gesamten Mannschaft absolvieren konnte, doch da muss kurzfristig eine deutliche Steigerung her, wenn man hier von einem „Upgrade“ zu Doumbouya sprechen möchte (der nach wie vor zum Team gehört).

Was macht man nun mit einem solchen Spiel? Zuallererst: Nicht in Panik verfallen. Die vergangenen zwei Spielzeiten unter Dabrowski haben gezeigt, dass unser Coach Fehler sieht, die Ärmel hochkrempelt und anpackt. Hier wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der kommenden Woche daran gearbeitet, das Aufbauspiel auch unter Pressing in den Griff zu bekommen und insbesondere Arslan im Spiel nach vorne besser einzusetzen. Zudem muss es Ziel sein, dass man – wenn man schon Golz „mitnimmt“ – Bewegung auf den Anspieloptionen bekommt.

Denn eines ist klar: Man kann als Mannschaft von RWE verlieren. Aber der Einsatz muss stimmen, man muss auf den Tribünen spüren, dass die Mannschaft sich aufreibt. Das war zumindest für meinen Geschmack heute nicht der Fall.

Aufstellung:

Golz
Schultz (C)
Arslan
Kaparos (76. Eisfeld)
Vonic
(64. Wintzheimer)
Safi
Brumme

Celebi (64. Voufack)
Rios Alonso
Müsel
Kraulich


Tore:

0:1 – Heinz (28.)
1:1 – Vonic (37.)
1:2 – Heinz (74.)

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